Wildwuchs Festival & Wildwuchs unterwegs
Katarina Tereh, Kapi Kapinga Grab und Hannah Berner
Ein wichtiger Bestandteil unseres Masterstudiums in Theaterpädagogik war die künstlerische Institutionskritik. Wie können wir mit künstlerischen Mitteln mit einer gesellschaftlichen oder sozialen Institution zusammenarbeiten, sie befragen, in sie eingreifen, sie irritieren, sie transformieren? Unter der Überschrift «Wildwuchs unterwegs» laufen mehrere institutionskritische Projekte. Wir verfolgend dabei einen Begriff der Kritik, welcher sich nicht auf eine Aussenposition stellt und auf Schuldige zeigt, sondern wir verstehen Kritik als Praxis, in der wir selber zu Spieler:innen werden und versuchen andere Realitäten auszutesten und herauszufinden, was dabei ermöglicht wird. Kritik zu üben heisst als erstes immer sich selber zu befragen. Bei Wildwuchs sind wir daran, die eigenen Strukturen in Frage zu stellen und sie dahingehend zu verändern, dass Macht möglichst auf viele verschiedene Schultern verteilt wird, dass möglichst unterschiedliche Perspektiven vertreten sind und dass die Arbeitsabläufe für unterschiedliche Personen mit unterschiedlichen Möglichkeiten zugänglich werden.
Wie kann man künstlerisch die Verflechtung von Diskriminierungen im Rahmen eines Treffens mit unterschiedlichen Menschen gestalten? Wie kann die Intersektionalität künstlerisch reflektiert, konzipiert und umgesetzt werden? Wie kann man künstlerisch die subtile Internalisierungen ans Licht bringen und aktiv handeln? Wie schaffen wir es, dass die Themen die Wildwuchs beschäftigen nicht nur scheinbar von der breiten Gesellschaft inklusive ihren Entscheidungsträger:innen aufgenommen werden, sondern wirklich tiefgreifende Veränderungen voran treiben z.B. in den Bereichen der Finanzierung von Zugänglichkeit im Kulturbereich. Wie können wir vermitteln, dass der Ruf nach Diversität und Inklusion Zeit und Geld kostet, dass schnelle Lösungen nicht nachhaltig sind und dass die Förderstrukturen Teil der Verantwortlichkeit für diese Themen tragen.
In allen Institutionen und Strukturen die uns alle regieren, die Regeln, Prinzipien, Mechanismen, Systeme erfinden, konzipieren, herstellen und alle Menschen darin einordnen. In jeglichen Leitungsteams, in allen Geldgeber*innen Instanzen, in den Bildungsdepartementen, in allen Kunstinstitutionen, allen Fachausschüssen, allen Jurys, allen sozialen Institutionen, auf der Ebene aller Entscheidungsträger:innen etc.
Dass vor allem Bildungsinstitutionen noch trödeln und noch nicht überall das Thema Rassismus als «Pflichtthema» für Mitarbeitende und Studierenden haben. Es haut uns um, dass wir, an der Spitze des Eisbergs sitzend und mit fehlender Grundlage versuchen die Gesellschaft zu verändern, während Bildungsinstitutionen (von der Kita bis zur Hochschule) ihre Verantwortung in Bezug auf gesellschaftliche Themen zu wenig wahrnehmen. Dass Menschen die gesellschaftlich marginalisiert werden, im Kulturbetrieb auf allen Ebenen unterrepräsentiert sind, liegt nicht nur daran, dass sich ein Grossteil des Kultursektors nicht für sie interessiert, sondern v.a. auch dass marginalisierten Personen der Zugang zu Bildung – gerade an Kunsthochschulen – oft verwehrt wird. Wie viele Schwarze Personen studieren an der ZHdK? Schon Mal ein:e Schauspielstudent:in an der Gessnerallee im Rollstuhl gesehen? Wieso dürfen Menschen mit Geflüchtetenstatus nicht studieren? Gatekeepers dieser Gesellschaft, das sind nur die ersten Fragen dieses ganzen Diskurses, beginnt doch übungshalber mal mit denen.