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Nina Willimann

Künstlerin & Theaterschaffende

Wie erklärst du einem Kind, aus was deine Arbeit besteht?

Ich versuche, Dinge zu verstehen.

Wieviel hat das was du aktuell tust mit deinem Studium zu tun?

Das Studium im MA Transdisziplinarität war sehr wichtig für meine heutige Arbeitsweise, ich würde sagen es war eine Art Befreiungsschlag. Ich hatte schon früher disziplinübergreifend gearbeitet, aber das war in meiner Herkunftsdisziplin Tanz/Choreographie immer mit Problemen verbunden, insbesondere bei Fördergesuchen und bei Zusammenarbeiten mit Institutionen die eine spartenspezifische Ausrichtung haben. Ich habe es darum sehr geschätzt, dass im MA Trans niemand mehr mein Tun in eine eine Spartenschublade sperren wollte oder in Frage stellte, ob etwas nun Kunst sei oder nicht. Es ging um die Fragen darüber hinaus, die mich eigentlich interessierten: Welche Form braucht das jeweilige Thema? Mit welchen Methoden arbeite ich? Wie stelle ich Bezüge her?

Was beschäftigt dich momentan am meisten?

Der Klimanotstand und die grundsätzlichen Fragen, die das aufwirft. Die jetzige Situation ist das Resultat einer langen, aus dem Ruder gelaufenen Entwicklung, die vom Westen ausging und die im Namen des Fortschritts ein System der Ausbeutung vorantrieb, das nun an seine Grenzen stösst. Mich beschäftigt, wie es dazu kommen konnte. Ich bin auf dem Land als Kind von Aussteiger-Eltern aufgewachsen, die schon zu Beginn der 80er Jahren alarmiert waren in Bezug auf die Auswirkungen der mensch-gemachten Veränderungen. Ich habe als Kind in zwei Welten gelebt: in der bedrohten Umwelt meiner Eltern und in dieser anderen Welt, in der dieses Problem nicht zu existieren schien. Die Ausstiegsfantasien meiner Eltern sind gescheitert, aber zum Glück ist inzwischen die Einsicht, dass es so nicht mehr lange weitergehen kann, ein bisschen mehr im Mainstream angekommen. Passieren tut aber auf politischer Ebene noch immer nichts, oder jedenfalls viel zu wenig. Mein Gefühl der Ohnmacht ist dasselbe geblieben, dazu kam aber in letzter Zeit die Wut.

In welcher Form arbeitest du mit anderen zusammen?

Ich arbeite seit Jahren eigentlich nur kollaborativ. Ich weiss gar nicht mehr wie ich alleine arbeiten sollte, und vorallem: wozu? Ich glaube dafür finde ich mich inzwischen selbst zu wenig interessant, bzw. ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, dass es eigentlich für mich erst dann interessant wurde und wird, wenn mich andere herausfordern, über meinen eigenen Horizont hinaus zu denken und mich zwingen, meine Perspektive zu befragen oder über meinen Schatten zu springen. Wenn es bei allen Beteiligten die Offenheit gibt, diese Verunsicherung zuzulassen, kann etwas unerwartetes geschehen, und das interessiert mich. Ich empfinde Zusammenarbeiten als anstrengender und zeitaufwändiger als die Arbeit allein. Für mich ist diese Arbeitsweise aber auch eine politische Entscheidung und eine Art Selbstversuch, etwas zu lernen, auf das ich nicht vorbereitet wurde, das nicht vorgesehen war. Wir lernen von klein auf das Denken in Opposition und Wettbewerb in Bezug auf andere. Aber ich glaube, dass wir hier im Westen auch an die Grenze des Individualismus gestossen sind. Um die anstehenden Probleme anzugehen brauchen wir nicht noch mehr Einzelkämpfer und Helden, sondern Leute, die ihre eigenen Bedürfnisse mal ein Stück zurückzustellen und über bestehende Gräben hinweg Allianzen schmieden können. Das würde ich gerne lernen – ich sage “lernen”, weil ich mich da selber inmitten von einem Lernprozess sehe.

Wie funktioniert dein (berufliches) Netzwerk, welche Rolle spielt es im Alltag?

Wie das wohl bei vielen Kulturschaffenden der Fall ist, lässt sich mein berufliches kaum vom privaten Netzwerk trennen. Viele meiner Freunde habe ich über Arbeitszusammenhänge kennengelernt, und umgekehrt habe ich schon Menschen privat kennengelernt, die mich interessiert haben und mit denen ich dann später gearbeitet habe. Diese Untrennbarkeit von Privat- und Arbeitsleben hat schöne Seiten: Ich schätze es sehr, über meine Arbeit immer wieder spannenden Leuten zu begegnen. Und das Schönste für mich ist, wenn sich Menschen über eines unserer Projekte kennenlernen und dann Freunde werden. Andererseits ist es auch manchmal kompliziert, da die manchmal notwendige Abgrenzung von Arbeit und Privatleben unter diesen Umständen schwer fällt und man daher in Gefahr läuft, ständig zu arbeiten und dabei auszubrennen.