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Fabian Chiquet

Künstler & Musiker

Hat dein Werdegang etwas mit spezifischen Geschlechterrollen zu tun?

Kürzlich hat mir meine Schwester auf einem Spaziergang gesagt, dass unserem Umfeld immer klar war, dass die Dinge die ich und meine (männlichen) Freunde machen, speziell seien. Als wären wir dazu bestimmt, grosse Werke zu vollbringen. Niemand hat das hinterfragt, wir selbst am wenigsten. Wenn ich die Sachen aus meinen jungen Künstlerjahren nun anschaue, dann muss ich ehrlich zu mir sein: Vieles davon ist Schrott. Überzeugend war nur mein Selbstvertrauen. Vielleicht ist das eine Qualität. Aber bestimmt eine, die mir zum Verhängnis geworden wäre, wäre ich eine Frau gewesen. Kurz nach diesem Gespräch habe ich die Skizzenbücher meiner Freundin gefunden – aus unserer gemeinsamen Zeit in der Schule für Gestaltung. Sie waren viel besser als meine zu dieser Zeit. Trotzdem bin ich „Künstler“ geworden und nicht sie. Niemand hat das hinterfragt, bis heute nicht. Nun ist es nicht so, dass ich nichts kann. Viel habe ich gelernt, gerade weil ich die Möglichkeit bekam, alles auszuprobieren, weil niemand in Frage stellte, dass ich es auch können würde. Ich habe viele Kunstausstellungen gemacht, Musik geschrieben, spielte in einer aufstrebenden Band, habe Theater gespielt, Regie geführt, bin über Umwege beim Film gelandet und einiges ist ganz gut gelaufen. Learning by doing halt. Meine Schwester hat mir damals auch gesagt: Sie fand es schade, hatte sie diese Mitstreiterinnen nie. Die mit ihr etwas durchgezogen haben. Niemand ihrer Freundinnen hatte dieses Selbstvertrauen eine schlechte Band zu gründen. Mein heutiger Ateliernachbar hat ein Musiklabel, auf dem er überwiegend Bands mit Frauen veröffentlicht. Nicht als Konzept, sondern weil die Demos, die von Frauen zu ihm kommen, einfach meist besser, ausgereifter und spannender sind, obwohl es viel weniger sind. Und da fielen mir unsere Demos ein, die wir damals verschickten, als wir angefangen haben. Ich müsste mir die mal wieder anhören. Wir fanden sie das Grösste. Wir sahen uns als das nächste grosse Ding. Dass niemand darauf antwortete, hielt uns nicht davon ab weiterzumachen. Ist das gut? Ich weiss es nicht. Ich weiss einfach, dass es anders gewesen wäre, wäre ich meine Schwester gewesen.